Spitzensport und Studium
Die Kombination aus Spitzensport und dem Studium stellt Studierende vor besondere Herausforderungen. Viele Studierende finden in ihrer Freizeit sportliche Betätigung, sei es individuell oder durch die Teilnahme am Hochschulsport. Doch wie gestaltet sich der Alltag, wenn man gleichzeitig als Spitzensportler*in auf höchstem Niveau aktiv ist und den Anforderungen des Studiums gerecht werden muss?
Um einen tieferen Einblick in diese Thematik zu erhalten, haben wir ein Interview mit Bianca Illing geführt. Sie stellt uns ihre Sportart und ihren täglichen Ablauf genauer vor.
Wie bist du Leistungssportlerin geworden?
Ich mache „Rope Skipping“, also Seilspringen. Ich habe mit sechs Jahren in einem Verein bei mir zu Hause angefangen. Obwohl Germersheim eine relativ kleine Stadt ist, gibt es dort einen recht großen Verein dafür, der auch ziemlich erfolgreich ist. Ich fand den Sport schon immer cool und war schon als Kind Mitglied in der Turnerschaft, weil meine Mutter mit mir ins Kinderturnen gegangen ist. Natürlich bekommt man dann auch mit, was im restlichen Verein passiert. Dadurch habe ich ein Mädchen aus der Leistungsgruppe kennengelernt, die ca. elf Jahre älter war und mein Vorbild wurde. Der Übergang vom „normalen“ Sport zum Leistungssport war eher fließend. Mit acht Jahren habe ich an meinem ersten Wettkampf teilgenommen und mit dreizehn habe ich mich das erste Mal fürs Bundesfinale qualifiziert. Man kann sich auch erst mit zwölf weiter qualifizieren. Im zweiten Jahr habe ich es also gepackt, aber nicht darüber nachgedacht wie es im Sport für mich weitergehen soll, sondern mich einfach gefreut, dabei zu sein.
Ich weiß nicht genau, ab wann man von Leistungssport redet, aber 2013 habe ich mich sowohl im Einzel als auch Team das erste Mal für eine Deutsche Meisterschaft qualifiziert. 2016 haben wir es dann das erste Mal geschafft, als Team international teilzunehmen. Wir waren nicht wirklich erfolgreich, aber dabei. Dadurch sieht man, was die anderen machen und das hat den Ehrgeiz entfacht. Ich habe dann immer mehr trainiert, eine Kampfrichter-Schulungen gemacht und mich ins System eingearbeitet. Zu dieser Zeit war ich neunzehn, also eigentlich relativ spät im Vergleich.
Was gibt es über die Sportart zu wissen?
In Germersheim hat Rope Skipping Ende der 90er angefangen. Ich glaube die erste deutsche Meisterschaft war 2003 in Deutschland. Es gibt zwei verschiedene Wettkämpfe: Einzel und Team. Außerdem gibt es zwei Schnelligkeitsdisziplinen: einmal drei Sekunden und einmal drei Minuten so viele Sprünge, wie man schafft. Bei einer Einzelchoreografie gibt es verschiedene Schwierigkeitsgrade für alle Sprünge. Je schwieriger, desto mehr Punkte bekommt man. Außerdem werden Ausführung und Kreativität bewertet.
Der Team Wettkampf besteht mehr oder weniger aus acht Disziplinen. Auch hier wird Schnelligkeit und Choreographie bewertet. Es springen dann zum Beispiel zwei oder vier Personen mit ihrem eigenen Seil synchron. Außerdem gibt es das sogenannte „Double Dutch“ – da schwingen zwei Leute das Seil. Das ist dann eher meine Disziplin, weshalb ich am Ende am Teamsport „hängengeblieben“ bin. Ab diesem Jahr mache ich auch nur noch Teamdisziplin. Letztes Jahr bin ich noch im Einzel gesprungen. Ich springe zusätzlich mit meiner Schwester zusammen in der Kategorie „Wheel Pair Freestyle“. Dabei hat jeder ein Seil, aber die Griffe werden in der Mitte getauscht, d.h. ich habe einen Teil von ihrem Seil und einen von meinem Seil und wir springen abwechselnd.
Wie schaffst du es Studium und Sport zu verknüpfen und wie dürfen wir uns deinen Alltag vorstellen?
Neben meinem Wirtschaftsinformatik-Studium (Master) bin ich außerdem seit 2015 Trainerin im Verein von insgesamt vier Gruppen. Im Rahmen meiner Trainertätigkeit bin ich unter anderem für die Anfänger zuständig. Es gibt einige, die bei mir angefangen haben und die dieses Jahr zum ersten Mal international mit uns unterwegs waren. Es ist ein schönes Gefühl, wenn man Zeit investiert und dann den Erfolg oder die Entwicklung sieht. Ich finde es auch einfach toll, ihnen dieselbe Möglichkeit zu geben, die mir geboten wurde. Ich wohne in Karlsruhe, meine Schwester und Trainingspartnerin wohnt noch zu Hause. Sie ist zwei Jahre jünger als ich und hat mit ca. sechs Jahren angefangen und wir springen quasi schon immer zusammen. Sehr praktisch ist außerdem, dass sie auch am KIT studiert. Das heißt, wir können dort teilweise zusammen trainieren - das erhöht die individuelle Trainingszeit. Ich fahre fürs Training unter der Woche drei bis viermal nach Hause.
Man muss natürlich immer ein bisschen schauen, welche Vorlesungen man belegt und vor allem auf den letzten Block abends achten. Den kann ich außer mittwochs eigentlich nie besuchen. Auch bei Prüfungen bedarf es eine gewisse Planung. Im Sommersemester zum Beispiel gibt es Prüfungstermine, die für mich eher ungünstig liegen, wenn wir uns international qualifiziert haben. Ich schaue mir dann einfach Online-Aufzeichnungen an und schreibe die Prüfung im Wintersemester, damit durch mich kein extra Aufwand entsteht. Es gibt verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten, sodass ich z.B. eine mündliche Prüfung ablegen kann. Aber ich habe die Einstellung „was ich selbst regeln kann, das regle ich am liebsten selbst“. Ich versuche, so viel wie möglich vorzuplanen. Jetzt zum Jahresbeginn von Januar bis April haben wir unsere Haupt-Wettkampfphase mit allen Qualifikationen. Dann versuche ich z.B. unter der Woche zu lernen, weil meine Wochenenden meistens recht voll sind. Bisher ging das aber immer ganz gut. Ansonsten halte ich mich relativ viel im Fitnessstudio oder in den Sporthallen des KIT auf.
Würdest du die Kombination aus Leistungssport und Studium am KIT weiterempfehlen?
Es ist sehr praktisch, dass man am KIT Unterstützung erhält. Im Bachelor habe ich beispielsweise ein Seminar besucht und einmal zu viel gefehlt, wofür der Professor aber Verständnis hatte. Insgesamt war es bisher nie ein Problem. Wir haben außerdem am Sportinstitut eine Ansprechpartnerin, die sich um uns kümmert. Es ist gut zu wissen, dass sich jemand für einen einsetzt, falls mal eine Schwierigkeit auftaucht. Sie setzt sich dann auch direkt mit einer Professorin oder einem Professor auseinander, falls nötig und sorgt außerdem dafür, dass wir Zugang zu allem erhalten. Wir haben zum Beispiel die Hallenbelegungspläne und rein theoretisch auch den Zugang zum Walk-Inn. Für uns eher weniger relevant, weil wir meistens Platz zum Springen benötigen.
Ich bin aber tatsächlich noch nicht so lange in der Leistungssportförderung, weil ich nicht wusste, dass es das am KIT gibt. Beim Rope Skipping ist das aber auch ein wenig schwierig, weil es noch kein olympischer Sport ist. Ganz eng gesehen werden nur olympische Sportarten gefördert. Aber die Community arbeitet daran, dass dieser Sport olympisch wird. Allerdings dauert es vermutlich noch und ich glaube auch nicht, dass ich das in meiner aktiven Sportlerkarriere noch erleben werde. Insbesondere unsere internationalen Erfolge haben aber geholfen, die Förderung zu legitimieren. Vielleicht könnte man diese Information zu den Förderungsmöglichkeiten auch in die O-Phase integrieren, dann bekommen es Studierende gleich zu Beginn mit und nicht wie ich eher zufällig durch einen Social Media Post. Aber ich finde es super, dass sie es auf diesem Weg kommuniziert haben. Ich habe den Beitrag direkt von mehreren Freunden weitergeleitet bekommen.
Was hast du nach deinem Master der Wirtschaftsinformatik vor?
Ich habe geplant, im Sommersemester (2023) meine letzten Prüfungen zu schreiben und dann nächstes Wintersemester mit der Thesis abzuschließen. Ich mache meinen Sport natürlich super gerne und bin zum Beispiel für die Kampfrichter Ausbildung in der Pfalz zuständig, die verschiedene Lehrgänge gemacht haben. Aber rein finanziell glaube ich, ist es nicht das, was ich mir als langfristige Einkommensquelle vorstelle. Außerdem habe ich viel Spaß am „rumtüfteln“ und beim Programmieren sowie beim Lösen von Aufgaben. Für meinen späteren Beruf kommt mein Sport also nicht wirklich in Frage. Ich hoffe natürlich, dass sich das trotzdem noch kombinieren lässt und ich nicht alles aufgeben muss. Das wäre sehr schön.